Unterwegssein durch die Fastenzeit

Verbunden mit unserem DANK ein kleiner Impuls zum „Unterwegssein durch die Fastenzeit – Ostern dem Leben entgegen“. „Immer dann“, so sagt Alfred Delp, „immer dann, wenn in der Kirche violett getragen wird, alles ein wenig nüchterner wirkt, dann geht es an die Wurzeln unseres Menschseins und Glaubens, dann gilt es hinter das Vordergründige zu schauen, sich selbst zu überprüfen; dann geht es um eine neue Standortbestimmung!“ Die Fastenzeit- eine Zeit der großen Inspektion: 40 Tage lang haben wir, beginnend mit Aschermittwoch, die Gelegenheit, die eigene Karosserie (innen und außen!) anzuschauen, auf ihre Fahr- mehr noch Lebenstüchtigkeit zu überprüfen. Christoph Stender regt an, „in der Fastenzeit dem Leben genau das wiederzugeben oder es vielmehr neu für das Leben zu entdecken, was ihm fehlt: Biss, Format, Profil, Lust und Sinn!“ Und wie sagt Ödön von Horvath treffend ironisch-provozierend: „Eigentlich bin ich ganz anders, nur ich komme so selten dazu!“ Jetzt in der Fastenzeit kämen Sie dazu J!

Mögen Sie Konzerte? Ob ein Konzert gelingt, hängt von vielen Faktoren ab. Unter anderem davon, wie sauber die Musiker vor der Aufführung ihre Instrumente stimmen. Der im Jahr 1999 in Recife (Brasilien) verstorbene ‚Bischof der Armen’, Dom Hélder Camara, war fasziniert von der Kunst der Instrumentenstimmer. Er meinte: „Ich bewundere, ja ich beneide nicht nur ihr feines Ohr, das jeden Ton heraushört und in jedem Ton die kleinste Unstimmigkeit, das geringste unrechte Intervall wahrnimmt. Ich bewundere, ja ich beneide das sanfte Geschick, mit dem sie die verstimmten Töne höherstellen, bis sie wieder im Einklang sind …“

Dom Hélder Camara selbst ist bei den Instrumentenstimmern in die Schule gegangen: Er hat gelernt, die Unstimmigkeiten in seinem eigenen Leben und in seiner Umgebung wahrzunehmen – die Misstöne und Ungerechtigkeiten im Zusammenleben der Menschen in seinem Land, die Dissonanzen und Spannungen zwischen Arm und Reich, die unsauberen und falschen Töne der Mächtigen und Einflussreichen. Und er hat ein Geschick darin entwickelt, manches unrechte Intervall, manche Kluft der Benachteiligung, Unterdrückung und Ausbeutung zu beseitigen.

Sich wie Dom Hélder Camara ein Beispiel an den Instrumentenstimmern nehmen – das wäre die Chance der Fastenzeit: Zuerst einmal überprüfen, ob ich mit mir selbst in Einklang bin: Phasen, in denen ich mich missgestimmt, unzufrieden, überspannt, gereizt oder kraftlos und abgespannt erlebe, genauer unter die Lupe nehmen und nach dem Grund forschen. Herausfinden, was mich wieder ins Lot und in eine gute Stimmung bringt. Daran arbeiten, dass meine Gedanken und Worte, meine Worte und Taten immer besser bzw. neu wieder übereinstimmen. Mir von Jesus wieder neu erklären lassen, dass ich vor Gott ein wertvoller Mensch bin und mich deshalb auch selbst akzeptieren und schätzen darf.

Dann auch darauf achten, dass ich mit meinen Mitmenschen (Familie, Nachbarschaft, Gemeinde, Verein usw.) in Einklang bin: Die Interessen der anderen und meine eigenen in eine vernünftige Balance bringen. Hellhörig dafür werden, wo ich mit meinen Bedürfnissen und Wünschen die leisen Bitten und Anfragen der anderen übertöne. Dissonanzen und falsche Untertöne in meinen Gesprächen wahrnehmen (wie rede ich über jemanden) und darauf reagieren. Verstimmungen und Missverständnisse aufdecken und ausräumen. Mir von Jesus wieder neu sagen lassen, dass der Maßstab, an dem unser Leben gemessen wird, unser Verhalten dem Nächsten gegenüber ist.

Und nicht zuletzt einmal verstärkt darüber nachdenken, ob ich mit Gott in Einklang bin: Ein neues Gespür dafür entwickeln, welchen Ton Gott mir zuspielt, was er mir zutraut, was er von mir erhofft, welche Lebensaufgabe er gerade mir zugedacht hat (In Schönstatt sprechen wir von Persönlichem Ideal. Das ist so etwas wie der ‚Glücksnerv’ in uns. Wo dieser Nerv getroffen wird, leben wir auf und entfalten Kraft. Alles wird leichter und schöner. Manchmal ist es ein Hochgefühl des Glücks, sehr oft aber einfach eine innere Ruhe und Sicherheit, in der sich ankündigt: Das ist mein Weg). Das ist der mir von Gott zugespielte Ton, den ich im Konzert des Lebens spielen soll, den er durch mich und niemand sonst in der Welt zum Klingen bringen will. Das Evangelium als den ‚Kammerton’ („ein als gemeinsamer Bezugspunkt definierter Ton, auf den die Instrumente einer Musikgruppe gleich hoch eingestimmt werden.“) entdecken, auf den ich mein Reden und Verhalten abstimmen kann. Mir von Jesus wieder neu zeigen lassen, wie intensiv, sinnvoll und erfüllt ein Leben sein kann, das aus dem Vertrauen auf Gott (ich schaue, was er mir während des Tages schenkt, wen er mir über den Weg schickt), aus dem Gebet (am Ende des Tages schauen, nachkosten, was es alles an Wunderbarem gab, wo ich auch dran zu beißen hatte) und aus der Besinnung auf die Heilige Schrift (wie wäre es mit einem persönlichen Nachlesen der Evangelien der Fastensonntage?) heraus gelebt wird.

Ob unser Osterjubel hell und rein klingt, ob unsere Osterfreude echt und glaubwürdig wirkt, hängt von vielen Faktoren ab, u. a. auch davon, wie gut wir in der Fastenzeit das Instrument unseres Lebens stimmen. Bitte dabei nicht – da bin ich einer Meinung mit Andrea Schwarz – „auf quälerische oder sogar selbstkasteiende Weise vorgehen, sondern einfach mal probieren, für diese Zeit Träume und Sehnsüchte vom Leben probeweise in die Tat umzusetzen, zu schauen, was mir in meinem Alltag hilft, lebendiger zu werden, in Einklang zu kommen mit mir, dem Nächsten, mit Gott – ich befürchte, dass es in meinem Leben ganz andere Dinge gibt, durch die ich mich der Lebendigkeit verweigert habe, mich von Gott entfernt habe, als gerade das Stück Schokolade …“ (basierend auf Gedanken von Wolfgang Raible)

Ich wünsche Ihnen ein gutes, beschwingtes ‚Unterwegssein durch die Fastenzeit – Ostern, dem Leben entgegen’; dass Sie entdecken, wo muss ich mein Leben neu stimmen, neu in Einklang bringen; wo haben sich schiefe Töne eingespielt, dass Sie für sich wieder neu, tiefer den Kammerton, das Evangelium, entdecken und am Ende des Unterwegsseins: Frohe, wunderbar klingende und gesegnete Ostern und DANKE nochmals herzlich für Ihre Spende. Sie tut uns gut! SIE tun uns gut!

Ihr

Pater Michael Czysch


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