Am frühen Sonntagmorgen, 25. Juli 2021, hat Gott, der barmherzige Vater, unseren Mitbruder Pater Hans Peter Lechler nach langer Krankheit zu sich in sein ewiges Licht gerufen. Pater Lechler verstarb für uns alle unerwartet im Alter von 72 Jahren im Pflegeheim „Humboldthöhe“ in Vallendar, wo er die letzten vier Jahre aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung stationär versorgt wurde. Sein Heimgang nach einer langen Leidenszeit war für ihn sicher eine Erlösung.
Hans Peter Lechler wurde am 16. April 1949 als zweites von insgesamt drei Kindern seiner Eltern Albert (*1919) und Berta (*1921) in Spaichingen geboren. 1947 war sein älterer Bruder Michael zur Welt gekommen, und ein Jahr nach der Geburt von Hans Peter kam noch die Schwester Ursula dazu. Der Vater starb schon im Jahr 1966, also noch während der Schulzeit von Hans Peter, so dass die Mutter Berta danach mit ihren drei Kindern allein war. Die Mutter überlebte den Vater noch 30 Jahre und war dem Sohn Hans Peter treu verbunden. Sie besuchte ihn und die Gemeinschaft der Schönstatt-Patres bis zu ihrem Tode regelmäßig. Sie starb an den Folgen derselben Krankheit (Parkinson), die Hans Peter in den letzten Jahren seines Lebens ebenfalls heimsuchen sollte.
Die Familie war von Spaichingen nach Stuttgart umgezogen, so dass der Sohn die übliche Schulzeit zunächst in Stuttgart erlebte. Die letzten drei Schuljahre verbrachte er dann im bischöflichen Konvikt für Priesternachwuchs in Rottweil bis zum Abitur im Jahre 1968. Im Konvikt schloss er sich auch intensiver der dortigen Schönstatt-Gruppe an und wuchs in das Leben im Liebesbündnis mit der Gottesmutter hinein, der er dann bis zum Tode treu und leidenschaftlich verbunden blieb.
Zur Zeit seines Abiturs war sein Lebensziel für ihn soweit ausgereift, dass er die freie Entscheidung für das Priestertum im Rahmen der Gemeinschaft der Schönstatt-Patres treffen konnte, sich dort als Kandidat meldete und direkt anschließend das Noviziat von 1968 bis 1970 absolvierte. In dieser Zeit bildete sich ein neuer internationaler Kurs aus anfänglich 18 jungen Männern (aus Deutschland, Schweiz, Chile, Südafrika, Philippinen, Brasilien), die sich das Kursideal „Filii Patris ex Coenaculo“ (Söhne des Vaters aus dem Coenaculum-Heiligtum) als Leitmotiv ihres Lebens wählten. Dem Kurs und seinem Ideal blieb Pater Lechler innerlich sehr verbunden, weshalb er nicht zuletzt sein Arbeitszimmer mit mancherlei Symbolen seines Kurses schmückte.
Zum theologischen Studium ging er im Rahmen des Ausbildungsganges der Schönstatt-Patres nach Münster ins Josef-Kentenich-Kolleg bis zum Abschluss im Jahr 1976. Im Jahr 1969 konnte er ein Krankenpflegepraktikum in Telgte im Münsterland, und 1973 ein Praktikum in der Jugendarbeit in Ingolstadt bei Direktor Maurer einfügen. Im Jahr 1976 wurde er in der Anbetungskirche in Schönstatt zum Diakon geweiht. Für ein zweijähriges Diakonatspraktikum führte ihn sein Weg nach Südafrika, da er auch mit der englischen Sprache gut umgehen konnte. Dort war er für die örtliche Schönstattbewegung tätig. Seitdem war er zeitlebens angeregt, Kontakte nach ‚Afrika‘ aufzugreifen und zu pflegen.
Es folgte schließlich planmäßig die Priesterweihe am 9. Dezember 1978 durch Bischof Georg Moser auf der Liebfrauenhöhe, zusammen mit Pater Karl Bausenhart. Dieses Ereignis blieb gut in Erinnerung, weil an diesem Tag die Straßen in Süddeutschland durch einen plötzlichen Eisregen fast unpassierbar waren und für erhebliche Schwierigkeiten und Verzögerungen sorgten.
Von seiner Veranlagung her war Pater Hans Peter Lechler sehr intelligent. Vor allem hatte er eine blühende Phantasie und war sehr originell. Am liebsten hätte er die schönstättische und insgesamt die kirchliche Botschaft in Symbolhandlungen nach dem Vorbild alttestamentlicher Propheten verkündet. Ihm hatte es jene symbolische Handlung des Propheten Ezechiel angetan (Ez 12,5), als dieser auf Gottes Befehl ein Loch in die Wand schlug, hindurchkroch und in Reisekleidung den Ort verließ als symbolisches Vorzeichen für eine drohende Verbannung des Volkes ins Exil. Pater Lechler wäre der geborene Regisseur für Theater und Film gewesen. Leider waren die Umstände nie so geartet, dass er seine Sonderbegabung in fruchtbare Gestaltung hätte umsetzen können. Daran litt er während seines gesamten priesterlichen Lebens. So musste er im Lauf der Zeit immer wieder Aufgaben übernehmen, die im Rahmen seelsorgerlicher Verpflichtungen notwendig waren, ihn aber nie ganz zufriedenstellen konnten.
Nach der Priesterweihe wirkte er fast zwei Jahre lang als Kaplan in Olching bei München. Es blieb erstaunlich, wie oft ihn Menschen aus dieser Zeit auch später noch besuchten, wo immer er dann lebte. 1981 holte ihn die Gemeinschaft nach Schönstatt, um ihm nacheinander Wirkmöglichkeiten in den verschiedenen Seelsorgsbereichen anzuvertrauen: in der Wallfahrtsbewegung, bei der Mannesjugend und in der Frauen- und Mütterbewegung.
Als der damalige Bewegungsleiter Pater Beller einen Mitarbeiter in seinem Büro suchte, um die anfallende Post sowie die Informationsschriften und Publikationen zu betreuen, wurde Pater Lechler gute fünf Jahre lang (1989 bis 1995) dafür eingesetzt, was eine deutliche Ausweitung des Wirkungsradius des Bewegungsleiters zu dessen spürbarer Zufriedenheit darstellte. In dieser Zeit übersetzte und bearbeitete Pater Lechler auch ein Buch über den Brasilianer Joao Luiz Possobon (Esteban Uriburu, „Der arme Diakon“). Die Art und Weise von dessen apostolischem Wirken mit der pilgernden Gottesmutter auf den Schultern („Kampagne der Pilgernden Gottesmutter“) blieb eine dauernde Inspiration und Gewissenserforschung für Pater Lechler, weil er spürte, dass er selber diesem Ideal und Vorbild nicht gerecht werden konnte. Überhaupt sammelte er zahllose Biographien und vertiefte sich in sie hinein, was ihm immer wieder seine eigenen Grenzen schmerzlich ins Bewusstsein hob.
Um Pater Hans Peter Lechler das Schicksal zu ersparen, sozusagen in Büroarbeit aufgehen zu müssen, suchte die Gemeinschaftsleitung eine neue Seelsorgstätigkeit für ihn und fand diese nacheinander jeweils in den Krankenhäusern in Ahrweiler und Koblenz. Krankenhausseelsorger war er nun von 1996 bis 2008. Für diese Tätigkeit qualifizierte er sich nochmals durch einen Vierteljahreskurs in ‚Klinischer Seelsorge‘.
Wo immer Pater Lechler als Seelsorger tätig war, versuchte er, seine Neigung und Leidenschaft zu Inszenierungen und originellen Ideen einzusetzen, was freilich nicht überall auf Verständnis stieß.
Die Gemeinschaftsleitung beendete schließlich seine Tätigkeit in der Krankenhausseelsorge, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie Mitbrüder in innergemeinschaftlichen Tätigkeiten benötigte. Pater Lechler unterzog sich deshalb ab 2008 einer neuen Ausbildung zum Archivar, die er mit Sachkenntnis und Schaffenskraft abschloss.
Mit Hingabe diente er nun der Gemeinschaft durch Arbeiten im Archiv. Dabei lernte er besonders die Jugendlichen der Schönstätter Marianischen Kongregation während des I. Weltkrieges besser kennen und schloss geistigerweise mit einigen von ihnen ein Freundschaftsbündnis. Daraus gestaltete und verfasste er zwei Biographien, eine über Max Brunner und eine über Willi Girke, die er seine ‚Freunde‘ nannte.
Soweit man sich überhaupt in die Gedanken Gottes einfühlen kann, muss man sagen, dass Gott unseren Mitbruder Hans Peter Lechler in den letzten Jahren seines Lebens nochmals besonders in seinen Dienst nahm und durch verschiedene Krankheiten (u.a. Parkinson) zum Kreuzträger machte. Vorher hatte er immer wieder Phasen, in denen er psychiatrische Kliniken aufsuchen musste und dauerhaft von Medikamenten abhängig war. Die letzte Phase seit Oktober 2017 als vollstationärer Patient im Pflegeheim „Humboldthöhe“ in Vallendar dürfte wohl die endgültige Aufgipfelung seines priesterlichen Daseins gewesen sein. Mit auffallender Ergebenheit und Willigkeit bewältigte er diese letzte Etappe seines Lebens.
Mögen nun seine Hoffnungen und Sehnsüchte in der Begegnung mit dem Gott des Lebens erfüllt werden. Möge er „Leben in Fülle“ finden im ewigen Licht.
Schönstatt, Berg Sion, 26. Juli 2021
P. Theo Breitinger
Provinzial