20 Jahre in Nigeria - Ein Rückblick von P. Klaus Desch

Während ich diese Zeile schreibe, befinde ich mich im Schönstatt-Zentrum in München und lasse die ersten Eindrücke von meinem zukünftigen Einsatzort auf mich wirken. Dies wird immer wieder durch das Piepsen meines Handys unterbrochen. Während der letzten 20 Jahre, in denen ich für unsere Patresgemeinschaft in Nigeria im Einsatz war, sind viele Kontakte gewachsen. Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge, als P. Fred Kistler die Briefe, die er per Fax nach Schönstatt schicken wollte, häufig an der staatlichen Telefonzentrale in Owerri, Imo State, abgeben musste, damit sie von einer Angestellten in einem guten Moment, wenn die Telefonleitungen ins Ausland funktionierten, geschickt werden konnte. Seit dem hat sich in diesem Punkt eine epochale Wende vollzogen. Handy und Internet haben seitdem die Kommunikationsmöglichkeiten um ein vielfaches erleichtert und erweitert.

Kistler und ich wurden am 18. September 1997 ausgesandt, um die ca. 40 Studenten der Patres, die am Philosophischen Institute der Claretiner in Owerri-Nekede studierten, zu begleiten und tiefer in die Spiritualität Schönstatts und die Gemeinschaft der Patres einzuführen. Ein Jahr später kam aus Polen P. Roman Haronska hinzu. Und im Laufe der Jahre waren Mitbrüder aus Indien, Südafrika und Argentinien Mitarbeiter bei der Gründung der Schönstattpatres in Nigeria.

Wohl habe ich mich niemals zuvor so als Pionier gefühlt, wie in dieser Anfangszeit. Für alle Beteiligten – Studenten wie Patres - war es Neuland. Die Studenten kannten Schönstatt nur vom Erzählen und von Fotos. Viele waren der Meinung, dass sie nur fleißig Bücher darüber lesen müssen, dann werden sie dieses komplexe Gebilde und seine Spiritualität schon begreifen. Jetzt im Rückblick erscheint es einfach, die Spuren zu erkennen, die uns die Vorsehung all die Jahre geführt hat. Damals war es für alle Beteiligten ein großes Wagnis. Von vielen Seiten gab es kritische Stimmen, die die Erfolgsaussichten des Unternehmens in Frage stellten. Ist es deshalb zu viel gesagt, wenn ich Parallelen zur Anfangsgeschichte Schönstatt erkenne: die Kleinheit der Werkzeuge und die Größe der Schwierigkeiten, die es zu überwinden galt. Als mich die damalige Provinzleitung deshalb 2001/2002 wieder nach Deutschland holen wollte, ließ sie sich schließlich doch davon überzeugen, dass das Projekt nach dem Ende der ersten beiden Noviziatskurse noch längstens nicht ohne den Beitrag der sehr verschiedenen Mitglieder des Teams auskommen konnte.

Es passiert nicht oft, dass man den Bau eines Heiligtums vom ersten Spatenstich, über das Graben der Fundamente, die erste Hl. Messe auf der fertigen Bodenplatte, dem ersten Liebesbündnis der Studenten, das Aufhängen der Glocke, den Aufbau des Altars, bis zur Einweihung am 23. Oktober 2004 miterleben kann. Damit hatte Schönstatt in Nigeria auch baulich sein typisches Gesicht bekommen. Ein Jahr darauf folgte die erste Priesterweihe. Die pilgernde Gottesmutter hatte einen Ort, von wo aus sie auszog und jedes Jahr im Mai wieder zurückkam. In Ibadan und weit darüber hinaus entstanden Kreise, in denen sie unterwegs war. Viele der Studenten trugen ein apostolisches Feuer in sich, das nicht ohne Wirkung blieb. 2007 starb Vitalis Onyenedum, der seit seinem ersten Kontakt mit der Gemeinschaft im Jahr 2000 all seine Begabungen dafür eingesetzt hatte, vor allem Jugendliche für Schönstatt zu gewinnen. Deshalb wurde er mit Einwilligung seiner Familie auch im Schatten des Heiligtums beigesetzt.

Von 2005 an wuchs die Zahl der nigerianischen Patres kontinuierlich: 1+4+7+4+4+5. Aus einer gewissermaßen reinen Studentengemeinschaft war über die ganze Periode von 25 Jahren eine Gemeinschaft von 25 Patres mit Studenten geworden. Dadurch konnten wir die Akzente verlagern. Ich selber wurde immer mehr in die Mitarbeit in der örtlichen Pfarrei St. Rita hineingezogen. Dies geschah so sehr, dass mich der Pfarrer eines Tages sogar fragte, ob ich nicht sein Kaplan werden wolle – was ich höflich aber bestimmt ablehnte, da ich meinen Dienst am Ganzen nach wie vor im Bereich der administrativen Aufgaben innerhalb der Gemeinschaft sah. Dennoch gehörte ich fortan zum pastoralen Team der Pfarrei und vertrat auch immer wieder den Pfarrer während seines Urlaubs. Rückblickend kann ich sagen, dass die Vorsehung dafür gesorgt hat, dass ich eine umfassende priesterlich-seelsorgerliche Erfahrung in diesen Jahren machte konnte. Die tägliche Begegnung mit Jung und Alt in allen Variationen, die Feier der Sakramente, der mitbrüderliche Umgang und die geistliche Begleitung einzelner waren für mich segensreiche Erfahrungen. Ich habe Kirche im Aufbruch erlebt, Kirche, die in neuen Wohngebieten die Katholiken gesammelt und so neue Filialgemeinden und auch eine neue Pfarrei gegründet hat.

Von den 25 Jahren meines priesterlichen Wirkens habe ich 2 Jahre in Oberndorf am Neckar verbracht, 3 Jahre in Manchester, England, und den Rest in Nigeria. So hatte ich mir das nie vorgestellt, als mich P. Peter Locher als Provinzial damals im Mai 1992 nach meinen Vorstellungen im Hinblick auf meinen zukünftigen Einsatz als Schönstattpater fragte. Offenbar sind Gottes Pläne immer größer als unsere menschlichen Vorstellungen. Und sie können dann Wirklichkeit werden, wenn wir bereit sind mitzugehen im Vertrauen darauf, dass ER in Treue genauso mitgeht. Ganz im Sinne des Gebetes: „Dem Bund, den du mit uns geschlossen, den du mit Gnaden reich begossen, wirst du die Treue stets bewahren, in Stürmen auch und in Gefahren…“

Nun ermöglichen mir das Internet und die modernen Kommunikationsmittel auch über weite Strecken mit vielen Menschen, die mir lieb geworden sind, im Kontakt zu bleiben. Und zuversichtlich blicke in der neuen Aufgabe als Pfarradministrator und Nachfolger von P. Michael Czysch im Pfarrverband München-Forstenried entgegen.

Pater Klaus Desch

 

Weitere Berichte im Brief vom Berg Sion - Weihnachten 2017


Hinterlassen Sie einen Kommentar

Bitte beachten Sie, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen